Räume und Wandansichten

Es gab im Blauen Haus keine Wand in den fünf Räumen im Erdgeschoss, den sieben Zimmern im Obergeschoss, den Fluren und dem Treppenhaus, an der Hanna Bekker vom Rath nicht einen Platz für die Kunstwerke ihrer Sammlung fand. So wie sich die Kollektion durch An- und manchmal auch Verkäufe sowie durch Ausleihen zu wichtigen Ausstellungen einem ständigen Wandel unterlag, änderte sich auch die Platzierung der einzelnen Werke. Es gibt nur wenige Dokumente der Hängungen, systematisch wurden alle Räume nur 1983, im Todesjahr der Sammlerin fotografiert.

So wie das Blaue Haus von außen seine charakteristische Farbgebung vorwies, waren auch die Räume farbig gestaltet und einige wurden nach ihrer Hauptfarbe benannt. Jeder Raum beherbergte Bilder und Objekte der Sammlung Hanna Bekker vom Rath.

Ein durch und durch gewachsenes Haus, in dem Spuren der zwanziger Jahre und des Nachkriegs auf genialische Weise konserviert sind. Jegliche Renovierung würde den Charakter verderben. Die Zimmer sind in den alten Kalkfarben getüncht, die heute schon nicht mehr zu haben sind, seladongrün, indischrot, zitronengelb. Diese farbigen Fonds sorgen unauffällig dafür, daß die mit Bildern geradezu gepflasterten Wände dennoch nicht überladen wirken.

Dieter Hoffmann: Nachfeier am Vorabend. 30 Jahre Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath, in: Frankfurter Neue Presse, Feuilleton 13.5.1977
schematischer Grundriss Erdgeschoss

Rotes Zimmer

Hier wurden Gäste empfangen und Veranstaltungen durchgeführt. Bis in die 1960er Jahre hatte der Konzertflügel hier seinen Platz, bis er einem offenen Kamin weichen musste.

Elisabeth Nay-Scheibler, die 1945 mit Ernst Wilhelm Nay nach Hofheim zog, beschrieb 1993 ihre Eindrücke: Kam man dann in den großen roten Wohnraum, bot sich schlagartig und überwältigend ein Panorama ihrer großartigen Sammlung. Dicht und unkonventionell präsentiert, hingen da die „Verspottung Christi“ von Nolde, „Der nächtliche Mittelmeerhafen“ von Schmidt-Rottluff, der wundervolle, hochformatige Frauenakt von Beckmann, einige der imaginären farbstarken Bilder von Jawlensky und andere mehr.

Wuzhiqi, chinesischer Flussgeist

Inmitten der Ausstrahlung dieser sehr individuellen Kunstwerke, thronte erhöht auf einem Sockel die altchinesische Eisenskulptur des Tempelwächters, eines sitzenden Dämons, der Tier- und Menschengestalt vereinte und – göttergleich bewachend wie bedrohend – eine Art Schutzfunktion ausübte. Mir erschien diese unvergleichlich meisterliche Figur wie ein Symbol des Dualismus und der Vielschichtigkeit aller Kunst. 

Rotes Zimmer mit Erker, Foto Marta Hoepffner, 1961
Rotes Zimmer, Foto Klaus Meier-Ude, 1968
Rotes Zimmer, Foto von Brauchtisch 1983

Esszimmer

Nur bei besonderen Gelegenheiten wurden in dem polygonalen Raum Speisen eingenommen. Mit seinen vier Türen war er Durchgangsraum vom Vorplatz zur Veranda und die Verbindung von Rotem und Blauem Zimmer. Die Wände aber boten Platz für kleine und größere Kunstwerke, auf den eingebauten Schränken standen kleinere Skulpturen. Den selten genutzten Esstisch bedeckte die Tierdecke von Ida Kerkovius.

Esszimmer, Blick auf Veranda, Foto Marta Hoepffner, 1959
Foto von Brauchitsch, 1983
Esszimmer, Blick ins Rote Zimmer
Foto von Brauchitsch, 1983

Blaues Zimmer

Ursprünglich war hier das Schlafzimmer von Hanna Bekker. Als in der Nachkriegszeit viele Flüchtlinge untergebracht wurden, zog sie in die obere Etage um. An das Blaue Zimmer, an der Ostseite, wurde in den 1950er Jahren angebaut.

Das Blaue Haus mit dem neuen Anbau an der Ostseite (rechts), um 1954

Mit diesem Anbau diente es zunächst als Familienunterkunft, später als eines der vielen Gästezimmer, die damals noch „Fremdenzimmer“ hießen.
Schließlich zog der Flügel hierhin um und für die wachsende Sammlung wurden Grafikschränke aufgestellt.

Das Blaue Zimmer, Fotos von Brauchitsch, 1983

Bibliothek

Die Regale der Bibliothek boten nicht nur Raum für Bücher – darunter den Veröffentlichungen Paul Bekkers – auf ihnen fanden zahlreiche afrikanische Artefakte Platz. Der Conférencier Werner Finck nutzte sie während längerer Aufenthalte in den 1950er Jahren als Arbeitszimmer. Hier stand auch das erste Objekt, das Hanna Bekker als Jugendliche erstand: eine Christusfigur.

Bibliothek, Aufnahme Fotoschule Hoepffner, 1963
Foto von Brauchitsch, 1983
Foto von Brauchitsch, 1983

Vorplatz und Treppenhaus

Im unteren lichtgeschützten Vorplatz hingen Zeichnungen und druckgrafische Arbeiten in Schwarz-Weiß. Doch von oben betrachtet, leuchtete das Treppenhaus in den Farben der Gemälde von Baumeister, Nay und Schmidt-Rottluff.

Im Obergeschoss spielte sich das eher private Leben von Hanna Bekker vom Rath ab; neben dem Atelier und ihrem Schlafzimmer gab es weitere „Fremdenzimmer“. Hier wohnten Gäste, mit denen sie eng befreundet war, die regelmäßig kamen und oft längere Zeit blieben: vor allem Karl und Emy Schmidt-Rottluff, Ida Kerkovius, Emy Roeder, Shalom Sebba und Familienmitglieder

Fotos von Brauchitsch, 1983
schematischer Grundriss Obergeschoss

Atelier

In der oberen Etage fand das privatere Leben von Hanna Bekker vom Rath statt, neben dem Atelier und ihrem Schlafzimmer gab es weitere „Fremdenzimmer“. Hier nächtigten Gäste, mit denen sie nah befreundet war, die regelmäßig kamen und oft über einen längeren Zeitraum blieben: vor allem Karl und Emy Schmidt-Rottluff, Ida Kerkovius, Emy Roeder, Shalom Sebba und Familienmitglieder.

Das Atelier war das Refugium des Hauses. Hierher konnte sie sich zurückziehen zum Malen, Speisen, Korrespondenz Lesen und Schreiben – und bisweilen mit manchen der Gäste für eine Partie Schach. Am anderen Ende des Raumes befand sich eine Gruppe von Stühlen um einen Tisch und ihr rotes Sofa. Die Staffelei stand in der Mitte des Raumes.

Dicht gedrängt hingen die Bilder an den gelben und grauen Wänden.
Klaus Gallwitz beschrieb 1978 diesen malerischen Austausch in einer Rede: Angesichts dieser Bilder stellen wir uns den lebhaften wechselseitigen Austausch vor, der darin liegt, daß weit mehr als die Hälfte der Sammlung im sogenannten Blauen Haus aus Ateliers ins Atelier gelangt ist. Hanna Bekker vom Rath malt, aber viel mehr Malereien holte sie sich gleichzeitig nach Hause. Wenige Künstler leben so offen, fast naiv und zugleich so selbstkritisch im Verhältnis ihrer eigenen Produktion zu der ihrer großen und berühmten Freunde. … Es ist sicher richtig, wenn wir beides zusammen sehen, was zusammengehört: Die Bilder der anderen und die eigenen Bilder. Nicht in einem kunsthistorischen, sondern in einem biographischen und darum ganz lebendigen Sinne. … Sie lädt Gäste in ihr Haus. Sie bleiben lange und malen in Hofheim. 

Atelier, Südwand, Foto von Brauchitsch 1983
Hanna Bekker am Maltisch, Foto Klaus Meier-Ude 1968
Atelier mit leerer Staffelei, Foto von Brauchitsch 1983