Wirken in Hofheim seit 1920

Dies offene Tor | bei Tag, bei Nacht | beherbergt Viele | und auch Seltene!
Es läßt sie ein | es läßt sie aus | und jeder weiß, | ein „kurz zu Haus“ | ist jedem möglich, | der dem Haus vertraut | und Obdach findet
| auch die Braut.
Dies offne Haus | wird erst geschlossen, | wenn dann mein Leib | zur Asche wird
| in Hofheims Erde | still versinkt.

Eines der zahlreichen Gedichte von Hanna Bekker vom Rath, datiert 1969.

1926-1933

Um 1926 lernt Hanna Bekker den Maler Alexej Jawlensky kennen. Er war 1921 aus seinem Exil nach Wiesbaden gezogen. Seine durch den Ersten Weltkrieg erzwungene Emigration in die Schweiz erschwerte sein Anknüpfen an frühere Erfolge. Hinzu kamen die weltweite wirtschaftliche Lage und die zunehmende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes.
1928 rief Hanna Bekker vom Rath zur Gründung der Gesellschaft der Freunde der Kunst von Alexej von Jawlensky auf. Ein kleiner Kreis von Kunstsammlern unterstützte den Künstler durch Zahlung monatlicher Beiträge. Im Gegenzug erhielten sie alle vier Jahre das Anrecht auf ein Werk des Malers.
Nachdem viele der Förderer ab 1933 aus Nazi-Deutschland geflohen waren, setzte Hanna Bekker vom Rath ihre persönliche Unterstützung des Künstlers fort, suchte aber auch nach Möglichkeiten, seine Werke zu vermitteln und zunehmend auch anderen Künstlerfreunde zu helfen.

1933

Auch Hanna Bekker hatte Deutschland im Oktober 1933 mit ihren Kindern verlassen und gehofft, in Griechenland das Ende der Diktatur abwarten zu können. Die Devisensperre zwangen sie neun Monate später zur Rückkehr. In Athen blickte sie zurück: Im April (1933) die Schmidt-Rottluff-Ausstellung in Frankfurt. Wegen bolschewistischer Plakatmalerei verboten, machte ich in Hofheim … Die Hoffnungen auf Verkäufe aus der Ausstellung blieben eitel
Sie lernte aus dieser Erfahrung, dass ihr Blaues Haus in Hofheim zwar für Ausstellungen zu abseits lag, sich jedoch wegen dieser Abgelegenheit als Refugium anbot.

1934-1944

Unter den Künstlern, die hier bis 1944 vorübergehend – manche auch regelmäßig – Zuflucht nahmen, waren: Theo Garve, Hans Fähnle, Alexej Jawlensky, Ida Kerkovius, Else und Ludwig Meidner, Ernst Wilhelm Nay, Alexandra Povorina, Emy Roeder, Karl und Emy Schmidt-Rottluff. Fast alle hinterließen malerische Zeugnisse.
Weitere Besuche sind u. a. dokumentiert von: Sonja Eckhardt-Gramatté, Karl Erich Görk, Will Grohmann, Marta Hoepffner und Rosa Schapire.

nach 1945

Karl Schmidt-Rottluff, Emy Roeder und Erich Heckel
in Hofheim, um 1948

Kurz nach Kriegsende wurden die Kontakte wieder aufgenommen und seit der Gründung des Frankfurter Kunstkabinetts fanden erste Begegnungen im Blauen Haus statt.
Unter den ersten Gästen waren Willi Baumeister, Ida Kerkovius, Erich Heckel, Emy Roeder und Karl Schmidt-Rottluff.

Für einige der Künstler, die sich längerfristig in Hofheim niederließen, kam der Anstoß von Hanna Bekker vom Rath:
1944: Marta Hoepffner (-1970) | Friedel Schulz-Dehnhardt | 1945: Ernst Wilhelm Nay, (-1952) | 1949: Günter Schulz-Ihlefeldt | 1952: Siegfried Reich an der Stolpe (-1970) | 1955: Ludwig Meidner (-1963) | 1958: Ev Grüger | 1963: Shalom S. Sebba | 1968: Maria Moriondo.

1954 ließ Hanna Bekker vom Rath im unteren Teil ihres Gartens ein Haus errichten, hier zogen Friedel Schulz-Dehnhardt und Ev Grüger ein. Im Obergeschoss befand sich das Atelier, das sie Schmidt-Rottluff zur Verfügung stellte. Er nutzte es bis zu seinem letzten Aufenthalt 1974.

Südseite des Atelierhauses, 1954

Auf gleicher Höhe entstand 1968 ein weiteres Gebäude für den aus Israel zurückgekehrten „Maler und Werkmann“ Sebba, der es bis zu seinem Tod bewohnte. Er hatte seit 1963 die Sommermonate im Blauen Haus verbracht.

Postum

1993 wurde das Stadtmuseum Hofheim mit einer Sonderschau mit Werken von Hanna Bekker zu ihrem hundertsten Geburtstag eröffnet. Sie und der Künstlerkreis des Blauen Hauses sind Teil der dortigen Dauerausstellung.