Das um 1880 erbaute ursprüngliche Sommerhaus in der Kapellenstraße in Hofheim erwarb Hanna Bekker vom Rath 1921 von einem Frankfurter Chemiker. Sie hatte hier im Jahr zuvor mit Paul Bekker zwei Zimmer angemietet.
Umgeben war das in Waldnähe gelegene Haus von einem großen Garten. Wir haben ein recht nettes Haus, in dem auch ein Fremdenzimmer verfügbar ist, sowie einen großen Garten mit prachtvollen Bäumen, wo ich mir auf einer schönen Buche c[irca] 7 m hoch einen Sitz nebst Tisch zum Arbeiten habe bauen lassen, um recht hochmütig schreiben zu können, schrieb Paul Bekker an den Komponisten Franz Schreker.
Im April 1924 notierte Hanna Bekker in einem Tagebuch: Wir haben das Haus blau streichen lassen, d. h. alles Holzwerk, die Felder gelb-orange, es sieht sehr lustig aus! Nach ihrer Trennung von Paul Bekker ließ sie 1928 das Haus umbauen und an der Westseite erweitern.
Seitdem gab es in der belle Etage eine Bibliothek, übergehend in das Rote Zimmer anstelle eines Salons, und im Obergeschoss ihr Atelier mit großen Nordfenstern und Balkon. Auch die charakteristische Holzveranda wurde angebaut.
Den Namen Blaues Haus prägte Ida Kerkovius kurz nach der farbigen Neugestaltung.
Für Hanna Bekker sollte das Blaue Haus über 60 Jahre lang Lebensmittelpunkt und Rückzugsort bleiben. Zu allen Zeiten – auch während des Nationalsozialismus, als es zu einem stillen Refugium wurde – folgten Gäste aus Musik, Literatur und Kunst den Einladungen und viele wiederholten ihre Besuche regelmäßig. Sie hinterließen Zeugnisse ihrer Aufenthalte in Bildern und Texten. Unter Sammlerin ist mehr über die Sammlung im Blauen Haus zu erfahren.
Berichte über das Blaue Haus
Als wir Sie um ein Interview baten, meinten Sie: ‚Ja, wenn man mich für soo wichtig hält?’ Offen gestanden, ich hatte ein bißchen Angst vor Ihnen, denn ich gehöre zu der Generation, die im entscheidenden Alter mit ‚Kunst fürs Volk’ gefüttert wurde und nun ratlos dem Modernen gegenübersteht. […] Nun, Sie führten uns in Ihr ‚rotes Zimmer’. Mein Begleiter wehrte sich erschreckt gegen das satte Rot. Mich umfing es warm. […] Man muß sehr mutig und sicher sein, solchen Farben Herrschaft zu verleihen! […] Sie erzählten von Ihrer Galerie in Frankfurt und von dem Zimmertheater, das Sie neben Konzerten jeden Monat auch den Hofheimern bescheren wollen. Wenn das Stück zu Ende ist, setzen Sie sich mit Ihren schauenden und spielenden Gästen zusammen, damit sich jeder die Erregung von der Seele sprechen kann. Gnädige Frau, Sie zweifeln, ob Sie ‚so wichtig’ seien: Für uns junge Menschen sind Sie sehr wichtig, weil Sie uns ohne viel Reden und Gönnerhaftigkeit, nur mit Erlebenlassen und einigen helfenden Worten die Tür zur Kunst öffnen, für die wir so oft den Schlüssel nicht finden. […] Ihre HR.
HR, Am Kapellenweg zu Hofheim, in: Höchster Kreisblatt, 21.12.1949
… Sie hat ihr Haus im Taunusstädtchen Hofheim mit Bildern und Figuren angefüllt bis unters Dach – im ganz wörtlichen Sinne. Seinem ideellen und materiellen Wert nach gleicht dieses „Blaue Haus“ im Schatten hoher Bäume einem Museum. Und doch ist es weit mehr: ein großzügig ausgestattetes Heim für Kunst und Künstler, wo Bildwerke die Rolle der Hausgötter übernommen haben und das überhöhte Klima der geistigen Beziehungen bestimmen. In einer Atmosphäre vielfach sich überkreuzender fruchtbarer Spannungen erwachsen neben Spitzenwerken auch weniger starke Arbeiten zu wichtigen Gliedern des gesamten Ensembles, das sich mit seinem Ruf, eine der bedeutendsten deutschen Privatsammlungen zu sein, internationale Beachtung erworben hat. …
Christa von Helmolt, Nach Geschmack und Impuls. Sammlung Hanna Bekker vom Rath, 1968
Das Blaue Haus steht heute mit seiner Farbgebung unter Denkmalschutz, ist jedoch nicht öffentlich zugänglich.